Offener Brief an die FDP: Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung unterstützen
sehr geehrte stellvertretende Vorsitzende,
mit großer Sorge blicken wir auf die jüngsten Äußerungen von Vertretern Ihrer Partei zu den
geplanten Regelungen für Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung. Mit diesem Schreiben
möchten wir an Sie appellieren, eine wirksame Ausgestaltung der im Koalitionsvertrag
vereinbarten Werbeschranken zu unterstützen und nicht in Abrede zu stellen.
Anders als Vertreter Ihrer Partei es darstellen, ist eine Werbebeschränkung für Lebensmittel
mit einem hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehalt weder eine Beschneidung der persönlichen
Freiheit noch eine staatliche Bevormundung. Ganz im Gegenteil: Die allgegenwärtige
Werbung für unausgewogene Lebensmittel beeinflusst nachweislich die Präferenzen, das
Kaufverhalten und das Essverhalten von Kindern in negativer Weise – auch wenn die
Lebensmittel- und Werbeindustrie diesen Zusammenhang in Zweifel zieht. Wenn Kinder und
Jugendliche – in Folge einer Regulierung – weniger Werbung für ungesunde Lebensmittel
ausgesetzt werden, stärkt das die souveräne und freie Entscheidung der Familien über die
Ernährungsweise ihrer Kinder. Eine Werbebeschränkung verbietet nicht den Konsum
bestimmter Produkte, sie verringert die kommerziellen, schädlichen Einflüsse auf die
tagtäglichen Konsumentscheidungen.
Unter medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Elternverbänden, Krankenkassen
und Verbraucherschutzorganisationen besteht ein einhelliger Konsens, dass
Werbeschranken für unausgewogene Lebensmittel ein wichtiges Instrument zur Förderung
gesunder Ernährungsweisen darstellen. Um Wirksamkeit entfalten zu können, müssen sie
umfassend ausgestaltet sein.
Offener Brief an die FDP-Parteispitze:
Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung unterstützen!
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte stellvertretende Vorsitzende,
AOK-Bundesverband
Aktion gegen den Hunger
Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der DAG
Arbeiterwohlfahrt Bundesverband (AWO)
Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (BLUE 21)
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP)
Bundesarbeitsgemeinschaft Kommunale Kinderinteressenvertretungen (BAG
Kinderinteressen)
Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege
(BEVKi)
Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe (bbt)
Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd)
Bundeszahnärztekammer (BZÄK)
D•A•CH-Gesellschaft Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG)
Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK)
Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)
Deutsche Diabetes Stiftung (DDS)
Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik (DeGeDe)
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi)
Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM)
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
(DGVS)
Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft (dgh)
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)
Deutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS)
Eine Beschränkung auf reine Kindersendungen, wie von Vertretern Ihrer Partei
vorgeschlagen, würde ihr Ziel hingegen verfehlen. Etwa jede Dritte der beliebtesten
Sendungen bei Kindern unter 14 Jahren ist keine klassische Kindersendung, sondern
beispielsweise eine Castingshow, eine Fußballübertragung oder ein Familienfilm. Eine
Werberegulierung, die Kinder wirksam vor schädlichen Werbeeinflüssen schützen soll, muss
diese Primetime-Formate daher zwingend umfassen. Der Schutz der Kindergesundheit
muss Vorrang haben vor den wirtschaftlichen Interessen der privaten TV-Sender, der
Werbeindustrie und der Hersteller unausgewogener Lebensmittel.
Wenn die FDP eine „scharfe Kurskorrektur“ des vom Bundesernährungsministerium
vorgelegten Entwurfs fordert und sogar die nun bekannt gewordenen
Kompromissvorschläge – die bereits ein deutliches Entgegenkommen darstellen – ablehnt,
ist dies eine klare Absage an den Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen. Damit
stellt sich Ihre Partei gegen den einhelligen Konsens in der Wissenschaft und unter
Fachorganisationen. Wir bitten Sie hiermit eindringlich: Überdenken Sie Ihre Position und
priorisieren Sie den Kinderschutz.
Bei Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)
Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP)
Deutsche Krebshilfe
Deutsche Liga für das Kind
Deutsche Umwelthilfe (DUH)
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Deutsches Kinderhilfswerk (DKHW)
Deutsches Netzwerk Schulverpflegung (DNSV)
Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF)
Deutscher Frauenring (DFR)
diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe
Die Freien Bäcker
FIAN Deutschland
foodwatch Deutschland
Forum Ökologie & Papier
Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE)
Institut für Urban Public Health, Universitätsklinikum Essen
Institut für Welternährung
Internationaler Bund (IB)
Jugend der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG-Jugend)
Katholische Erziehergemeinschaft (KEG) Deutschlands
Kompetenznetz Adipositas
National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention
PAN International – Physicians Association for Nutrition
Sarah Wiener Stiftung
Slow Food Deutschland
Spielmobile – Bundesarbeitsgemeinschaft der mobilen kulturellen Projekte
Stiftung Bildung
Stiftung Kindergesundheit
Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD)
Verband der Diätassistenten (VDD)
Verband Wohneigentum (VWE)
VerbraucherService Bundesverband im Katholischen Deutschen Frauenbund
Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)
WWF Deutschland
Zentrum für Ernährungsmedizin und Prävention – ZEP, Krankenhaus Barmherzige Brüder
München
Berlin, 18. August 2023